Ein verändertes Konsumverhalten, Börsengänge, Arbeitskämpfe und einiges mehr erhalten möglicherweise nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.
Marktupdate
Was entgeht dem Markt derzeit?
Der Markt war in den letzten Wochen recht fahrig, wobei sowohl die Aktienkurse als auch die Anleihenrenditen schwankten. Obwohl auch die geringe Liquidität im Sommer eine Rolle spielt, scheinen sich die Investoren an jeden nächstbesten „Grund“ zu klammern, um den weiteren Weg in Frage zu stellen – insofern wirken die großen Debatten des Jahres über Inflation und Geldpolitik, Bankenstress, die US-Staatsverschuldung und die Wachstumsflaute in China mittlerweile erschöpft.
Über welche Themen reden wir also nicht so viel, obwohl wir es eigentlich sollten? Heute werfen wir einen kurzen Blick auf einige Dynamiken, die wir für vielversprechend halten, und auf andere, die für Investoren zur Stolperfalle werden könnten.
Was gut ist:
- Die Verbraucherinnen und Verbraucher geben allmählich etwas mehr für Waren und etwas weniger für Dienstleistungen aus.
Der US-Verbraucherpreisindex von letzter Woche zeigte, dass sich die Inflation zwar weiter abkühlt, die Dienstleistungspreise jedoch hartnäckig sind. Allerdings könnte die laufende Gewinnsaison gewisse Fortschritte signalisieren. Da die „Wiedereröffnung“ inzwischen ein alter Hut ist (in weiten Teilen der Welt ist seit fast zwei Jahren wieder Alltag eingekehrt), beginnt die Kauflust der Verbraucher bei Reisen und Freizeit nachzulassen, während das Interesse an Gütern langsam wieder zunimmt.
Sowohl PayPal als auch Amazon haben festgestellt, dass sich der E-Commerce im Zuge veränderter Konsumpräferenzen beschleunigt. Gleichzeitig verzeichnen Expedia und einige Fluggesellschaften (wie Alaska Air, Frontier und JetBlue) rückläufige Ausgaben für Inlandsreisen, wobei auch Hotels etwas an Dynamik verlieren. Einiges davon schlägt sich allmählich in den offiziellen Inflationsdaten nieder (die Flugpreise sind zuletzt gesunken), aber da die Inflation im Dienstleistungssektor insgesamt weiterhin auf hohem Niveau ist, sind noch weitere Fortschritte zu erzielen. Wenn ja, sind das gute Nachrichten für die US-Notenbank.
- Börsengänge könnten still und leise ein Comeback feiern
Im Jahr 2022 wurden die geringsten Emissionserlöse für neue börsennotierte Unternehmen seit mindestens zwei Jahrzehnten verzeichnet. Dafür gibt es unzählige Gründe – von langfristiger Frustration über die Komplexität und Kosten des Prozesses bis hin zu kurzfristigen Problemen wie Markt- und Geschäftsunsicherheit. Die lebhaften Börsendebüts von Unternehmen wie der mediterranen Restaurantkette Cava (deren Kurs sich am ersten Handelstag im Juni verdoppelte) und einer Handvoll geplanter Neunotierungen – vom Korkschuhhersteller Birkenstock bis zum Lebensmittel-Lieferdienst Instacart – könnten jedoch darauf hindeuten, dass die Konkurrenz am IPO-Markt langsam wieder in Schwung kommt. Die IPO-Märkte in Europa und Großbritannien lassen etwas länger auf sich warten, aber auch hier gibt es erste Anzeichen für eine Belebung der Aktivität – insbesondere mit dem Schwerpunkt auf der Berücksichtigung von ESG-Aspekten.
Risiken bestehen immer, wenn Unternehmen an die Börse gehen (die schwache Wertentwicklung von 2020–21 ist ein typisches Beispiel), aber mit mehr Klarheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung könnte sich der Markt in der Anfangsphase der Erneuerung befinden, zumal die Unternehmen generell nach wie vor auf einer soliden Grundlage stehen.
- Die Wirtschaft könnte produktiver werden.
Wenn eine Volkswirtschaft „produktiver“ ist, nutzt sie ihre gesamten verfügbaren Ressourcen – von den Arbeitskräften und ihrem Kapital wie Gebäuden und Ausrüstung bis hin zu ihren technologischen Investitionen – effizienter als bisher. Dadurch könnte sich sowohl die Lebensweise der Privathaushalte als auch die Geschäftstätigkeit der Unternehmen verändern. Die Messung der Produktivität ist mitunter schwierig, aber man kann zum Beispiel prüfen, wie viel die Beschäftigten pro Stunde produzieren. Im letzten Quartal ist die Arbeitsproduktivität in den USA um 1,3 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen – das ist zwar kein spektakuläres Wachstum, und ein Datenpunkt ist noch lange kein Trend, aber es liegt immerhin über der annualisierten Rate von 1 % des letzten Jahrzehnts.
Mit Blick auf die Zukunft könnte das Bild klarer werden. Produktivitätssteigerungen, wie wir sie in den 1990er Jahren erlebt haben, folgen in der Regel auf einen großen Boom der Unternehmensinvestitionen. Schon jetzt führt der intensive Fokus auf künstliche Intelligenz zu bedeutenden Software-Investitionen, um ihre Nutzung zu ermöglichen. Um unseren Kollegen Michael Feroli zu zitieren: „Bisher sind die Aussichten in diesem Zyklus vielversprechend… [und] wenn wir eine KI-bedingte Wiederbelebung der Produktivität sehen sollten, leistet der Unternehmenssektor bereits seinen Beitrag.“
Was weniger gut ist:
- Die Abkühlung der Inflation könnte die Unternehmensgewinne unter Druck setzen.
Trotz der hohen Inflation gelang es vielen Unternehmen, ihre Gewinne zu schützen, indem sie Preiserhöhungen an ihre Verbraucher weitergaben. Denken Sie an den Luxusgüterkonzern LVMH, der eine durchweg starke Nachfrage nach seinen Marken verzeichnete – und zwar so sehr, dass er zum wertvollsten Unternehmen Europas geworden ist. Ein anderes Beispiel ist Netflix, das weiterhin von einem enormen Anstieg der Abonnentenzahlen profitierte, nachdem es gegen die Weitergabe von Passwörtern vorging. Da sich die Inflation nun jedoch abschwächt, befürchten einige, dass diese Preissetzungsmacht nachlassen könnte.
Bei aller Besorgnis möchten wir anmerken, dass dies kein wirklich neuer Trend ist. Wir haben diese Art von Schwächetrend schon in Bereichen beobachtet, die während der Pandemie überkauft wurden, etwa bei Unterhaltungselektronik und haushaltsnahen Gütern. Es erscheint ganz normal, dass die Dynamik hier und da allmählich schwindet, zum Beispiel bei nichtzyklischen Konsumgütern oder Dienstleistungen (siehe oben). Hinzu kommt, dass die Gewinnerwartungen für die Zukunft nicht sinken, sondern steigen – dieses Quartal dürfte den Tiefpunkt des Gewinnwachstums im S&P 500 markieren, und es entwickelt sich immer noch besser als erwartet. Man sollte dies also im Auge behalten, aber die Druck- und Sogfaktoren werden wahrscheinlich auf Sektorebene entstehen. - In letzter Zeit kam es zu Arbeitskämpfen.
Beschäftigte auf der ganzen Welt streiken für bessere Löhne, von Auslieferungsfahrern und Zugpersonal bis hin zu Schauspielern und Drehbuchautoren. Laut der Datenbank von Bloomberg Law gab es in den USA seit Jahresbeginn über 170 Arbeitsniederlegungen, nachdem es 2022 zum ersten Mal seit 2005 wieder zu mehr als 300 Streiks im Land kam. Eine Studie der Resolution Foundation ergab, dass in Großbritannien fast 4 Millionen Werktage aufgrund von Arbeitskämpfen verloren gegangen sind. Australische Angestellte in Flüssiggasanlagen ziehen einen Ausstand in Betracht, was letzte Woche zu einem Anstieg der europäischen Erdgaspreise führte. Und die Belegschaft der Pariser Metro erwägt, während der Rugby-Weltmeisterschaft im September und Oktober zu streiken. - Da der Arbeitsmarkt so angespannt ist (beispielsweise liegt die US-Arbeitslosenquote mit 3,5 % nahe einem historischen Tiefststand) und sich die Inflation nach wie vor auf einem unangenehm hohen Niveau bewegt, könnten weitere Herausforderungen bevorstehen. Dies kann für Haushalte und Unternehmen gleichermaßen problematisch sein. Die kürzlich erreichte vorläufige Einigung zwischen UPS und der Gewerkschaft der Transportarbeiter (den „Teamsters“) zeigt jedoch, dass Kompromisse möglich sind. Jedenfalls dürften die größten Auswirkungen eher bei den Unternehmen zu spüren sein, die im Fokus stehen, als bei den amerikanischen Unternehmen insgesamt.
- Die Rückzahlung der Studienkredite läuft wieder an.
Nach einer dreijährigen Pause werden die Zinszahlungen für US-Studiendarlehen nächsten Monat wieder aufgenommen. Gleichzeitig sind die überschüssigen Ersparnisse der meisten US-Haushalte inzwischen aufgebraucht, die Zinskosten sind höher und das allgemeine Preisniveau ist weiterhin recht hoch. Untersucht man die Haushalte mit den höchsten Studienschulden, wird dies wahrscheinlich am ehesten die Millennials betreffen. Das dürfte den Geldbeutel belasten, aber wenn wir die Demographie und das gesamte Einkommensspektrum betrachten – und alle anderen Faktoren berücksichtigen, die das Ausgabeverhalten beeinflussen könnten – scheint es nicht auszureichen, um den breiten Konsumtrend zu brechen.
Wo wir stehen:
In jedem Jahr gibt es positive und negative Faktoren, die sich auf die Wirtschaft und die Märkte auswirken. Obwohl wir in Bezug auf die aktuellen Chancen und Risiken das Glas eher halb voll sehen, werden wir auch daran erinnert, dass Volatilität normal ist.
Ein ausgewogenes 60/40-Portfolio1 hat in den letzten vier Jahrzehnten einen durchschnittlichen Rückgang von 10 % innerhalb eines Jahres erlitten… und bislang betrug der maximale Drawdown in diesem Jahr nur etwa 6 % (im März). Trotzdem war der Gesamtjahresertrag in 32 dieser 43 Jahre seit 1980 positiv – ein Indiz dafür, dass es sich ausgezahlt hat, langfristig investiert zu bleiben. Leider tendieren Investoren dazu, bei Markteinbrüchen zu verkaufen und die anschließende Erholung zu verpassen – die Kapitalflüsse von Aktien in Barmittel nehmen dieses Jahr bereits erhebliche Ausmaße an. Aber gerade wenn die Investoren ängstlich sind, ist das oft der richtige Zeitpunkt, um zuzugreifen.
Ihr Team bei J.P. Morgan steht Ihnen zur Verfügung, um zu erläutern, was dies für Sie und Ihr Portfolio bedeutet.
1Eine 60/40-Portfolioallokation bezieht sich auf 60 % S&P 500 Index und 40 % Bloomberg U.S. Aggregate Index.
Wir halten die hierin enthaltenen Informationen für verlässlich, bieten jedoch keinerlei Gewähr für ihre Richtigkeit und Vollständigkeit. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten, Schätzungen, Anlagestrategien und Anlagemeinungen basieren auf den aktuellen Marktbedingungen. Sie stellen unsere persönliche Einschätzung dar und können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern.
RISIKOASPEKTE
- Die Wertentwicklung in der Vergangenheit stellt keinen Hinweis auf die künftige Entwicklung dar. Sie können nicht direkt in einen Index investieren.
- Die Preise und Erträge sind beispielhafter Natur, da sie sich je nach Marktbedingungen ändern können.
- Für alle Strategien existieren weitere Risikoaspekte.
- Die Angaben in diesem Dokument stellen weder eine Empfehlung noch ein Angebot oder eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Anlageprodukten oder -dienstleistungen dar.
- Die hierin zum Ausdruck gebrachten Meinungen können sich von denen anderer Abteilungen von J.P. Morgan unterscheiden. Die vorliegenden Unterlagen dürfen nicht als Anlageanalyse oder Anlage-Researchbericht von J.P. Morgan verstanden werden.