Überprüfen Sie Ihr Portfolio zum Jahreswechsel? Dann sollten Sie Folgendes beachten.
Author: Global Investment Strategy Team
Da wir nun die letzten Wochen des Jahres 2023 ausklingen lassen, wenden wir uns dem zu, was die Märkte im kommenden Jahr bestimmen könnte. Letzte Woche erschien unser Ausblick 2024 mit dem Titel: Nach der Zinsanpassung: Ein neu geordnetes Anlageumfeld. Aus unserer Sicht sind die Renditeerwartungen in vielen Anlageklassen so vielversprechend wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Heute präsentieren wir fünf Anlageüberlegungen, die wir für notwendig halten, um die Dynamik des neuen Zinsumfelds zu nutzen.
1. Die Inflation wird sich wahrscheinlich beruhigen. Trotzdem sollten Sie sich dagegen absichern.
In den Industrieländern ist die Gesamtinflation nach einem Höchststand von fast 8 % auf derzeit weniger als 3,5 % gesunken. Das ist ein großer Fortschritt.
Mehrere Dynamiken legen nahe, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen kann. Der Arbeitsmarkt findet kontinuierlich ins Gleichgewicht zurück – ein starkes Signal für ein rückläufiges Lohnwachstum. Der Beschäftigungszuwachs lässt in allen Volkswirtschaften langsam nach, wobei in den USA zurzeit nur 1,3 offene Stellen für jede arbeitslose Person zur Verfügung stehen. Das ist deutlich weniger als der Wert von knapp zwei offenen Stellen vor etwas mehr als einem Jahr und liegt nur geringfügig über dem Stand von 1,2 vor der Pandemie. Darüber hinaus deuten die aktuellsten Daten zu den US-Mietpreisen, die zuletzt etwa drei Viertel der gesamten jährlichen Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) ausmachten, weiterhin auf eine Verlangsamung hin.
Gleichwohl könnte sich die Inflation auf einem höheren Niveau einpendeln als in den letzten zehn Jahren. Die Industriepolitik und Energiewende könnten zu einer höheren Untergrenze bei den Rohstoffpreisen führen. Der Prozess des „Nearshoring“ und der globalen Anpassung der Lieferketten könnte den möglichen Rückgang der Güterpreise begrenzen. Die Inflationserwartungen von Verbrauchern und Investoren könnten die Inflation ebenfalls in die Höhe treiben.
Insgesamt sind zwar weitere Fortschritte in der Inflationsentwicklung zu erwarten, aber der „Landepunkt“ wird in diesem jetzt beginnenden Zyklus möglicherweise höher liegen als in der Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund sind wir der Meinung, dass Anleger beispielsweise den Einsatz von Sachwerten in Betracht ziehen könnten, um ihre Portfolios abzuschirmen.
2. Das Liquiditätsdilemma: die Vorteile und Risiken einer zu hohen Barallokation
Bei Renditen von 4–5 % sind Barmittel nicht außer Acht zu lassen. In dem Umfeld, das vor uns liegt, erzielen sie in der Regel jedoch keine optimalen Ergebnisse. Liquidität schneidet recht gut ab, wenn die Zentralbanken die Zinsen stärker anheben müssen als angenommen und die Inflationserwartungen steigen – wie in den letzten zwei Jahren. Zurzeit wird indes kaum noch diskutiert, ob die US-Notenbank (Fed) und andere Zentralbanken eine weitere Zinserhöhung vornehmen werden. Vielmehr ist ganz eindeutig die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wann – und inwieweit – die Zentralbanken nächstes Jahr die Zinsen senken werden.
Bedenken Sie Folgendes, zumal uns eine Woche voller Zentralbanksitzungen bevorsteht: Der Markt preist eine Wahrscheinlichkeit von 50 % ein, dass die Fed bis März die Zinsen senkt… und eine Wahrscheinlichkeit von 100 %, dass sie dies bis Mai tun wird. Insgesamt rechnen die Investoren mit Zinssenkungen von 110 Basispunkten (Bp.) bis Dezember. Bei der Europäischen Zentralbank erwarten die Anleger eine noch schnellere Lockerung.
Diese Annahmen sind vielleicht etwas zu optimistisch, aber eines ist dennoch klar: Die Zinsentwicklung zeigt nach unten. Gleichzeitig verbessern sich die Erwartungen an das Gewinnwachstum und die Risikobereitschaft erholt sich. Daher könnten Barmittel in dieser nächsten Zyklusphase teurer zu Buche schlagen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, wie Liquidität in Ihren zielgerichteten Vermögensplan passt.
3. Anleihen sind im Vergleich zu Aktien konkurrenzfähiger – passen Sie den Mix an Ihre Ambitionen an
Anleihen sind wieder da: Der November war der beste Monat für US-Kernanleihen seit 40 Jahren.
Anleihen sorgen in Portfolios für Stabilität, da sie im Vergleich zu Aktien weniger Volatilität aufweisen, die Kuponzahlungen generieren Erträge, und die Anleihenkurse steigen, wenn das Wirtschaftswachstum nachlässt und die Zinsen sinken. Diese Sicherheit war in den letzten zehn Jahren mit hohen Kosten verbunden. Vor der Pandemie notierte ein Viertel aller Staatsanleihen weltweit mit einer negativen Rendite. Mittlerweile sind negativ rentierende Anleihen nahezu verschwunden, nur in Japan gibt es sie noch (und selbst dort hat die Bank of Japan signalisiert, dass sie die Ära der Negativzinspolitik auf ihrer Sitzung nächste Woche möglicherweise beenden wird). Zurzeit werfen fast 60 % der weltweiten Staatsanleihen eine Rendite von über 3 % ab.
Einerseits glauben wir, dass Anleihen in diesem neuen Zinsumfeld eine wichtigere Rolle in den Portfolios spielen werden; andererseits wird das derzeit hohe Renditeniveau vielleicht nicht mehr lange andauern. Denn die Zinsen sinken, und zwar schnell: Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen sind seit ihrem Höchststand Mitte Oktober um über 80 Bp. gefallen. Historisch gesehen sind sie in den zwei Jahren nach der letzten Zinserhöhung der Fed (die unserer Meinung nach im Juli erfolgte) um mehr als 200 Bp. zurückgegangen.
4. Dank der KI-Dynamik scheinen Aktien auf dem Weg zu neuen Höchstständen
Auch wenn der S&P 500 im bisherigen Jahresverlauf um über 20 % gestiegen ist, würden wir eine gute alte Weihnachtsrally nicht ausschließen, um das Jahr 2023 abzurunden. Immerhin schloss der Dezember in 21 der letzten 29 Jahre mit einem Plus.
Aber Spaß beiseite: Das aktuelle Umfeld ist für Aktien in der Regel optimal. Bei einer Inflation zwischen 2 % und 3 % erzielte der S&P 500 in der Vergangenheit die höchsten Durchschnittsrenditen. Das Gewinnwachstum beschleunigt sich wieder, nachdem die meisten Sektoren bereits im vergangenen Jahr eine Korrektur durchgemacht haben. Wir halten die Konsenserwartungen nicht für zu optimistisch, und auch die Kraft der KI ist aus unserer Sicht real. Während der Fokus bisher weitgehend darauf lag, wie technologieorientierte Unternehmen davon profitieren können (erst letzte Woche kündigte Google sein eigenes KI-Modell namens Gemini an, das mit ChatGPT von Open AI konkurrieren soll), investieren inzwischen Firmen aus einem breiten Spektrum von Branchen (unsere eingeschlossen) massiv in KI.
Schließlich sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass Aktien die Triebfeder für einen langfristigen Kapitalzuwachs sind. Anleihen spielen heute sicherlich eine größere Rolle in den Portfolios, aber es gilt auch zu bedenken, dass Aktien seit 1950 auf rollierender 10-Jahres-Basis in 85 % der Fälle besser abgeschnitten haben als Anleihen.
5. Punktuell zeichnet sich Kreditstress ab, der jedoch begrenzt sein dürfte
Es gehört zu den unausweichlichen Gegebenheiten des Konjunkturzyklus, dass höhere Zinsen die Kreditaufnahme erschweren. Wir erwarten, dass es im nächsten Jahr in bestimmten Sektoren des Kreditkomplexes zu weiteren Belastungen kommen wird.
Zum Beispiel belaufen sich die ausstehenden Finanzierungen für US-Gewerbeimmobilien auf ungefähr 4,5 Bio. US-Dollar (etwa die Hälfte ist variabel verzinslich), wobei rund 2 Bio. US-Dollar davon im Jahr 2025 fällig werden. Der Bürosektor, der ca. 14 % der US-Gewerbeimmobilien ausmacht, hat unter der anhaltenden Beliebtheit der Arbeit im Homeoffice nach der Pandemie gelitten. Auch in anderen Bereichen steigen die Ausfallquoten für US-Hochzinsanleihen und -kredite an.
Aus unserer Sicht dürften sich diese Probleme letztlich jedoch in Grenzen halten. Wir gehen nicht davon aus, dass die restriktiveren Kreditbedingungen zu einer ausgewachsenen Kreditklemme führen werden. Die Kombination aus starken Cashflows von Privathaushalten und Unternehmen (sowohl in den USA als auch in Europa) und einem günstigeren Inflationsumfeld sollte es den Zentralbanken ermöglichen, die Zinsen zu senken, bevor diese punktuellen Belastungen im Kreditsektor ernsthaften Schaden in den Portfolios anrichten.
Für geschickte Anleger können Spannungen im Kreditkomplex zudem eine Vielzahl von Anlagemöglichkeiten schaffen – etwa bei Relative-Value-Strategien mit Schwerpunkt auf Fondsmanagern, die in der Lage sind, Stress und Verwerfungen auf Sektor- oder sogar Subsektorebene zu erkennen, aber auch bei US-amerikanischen Private-Credit-Fonds, die weiterhin Marktanteile im Hochzins- und Leveraged-Loan-Segment erobern könnten.
Fazit: ein neu geordnetes Anlageumfeld
Mit Blick auf das Jahr 2024 finden Investoren mehr Optionen für ihre Portfolios als je zuvor seit der globalen Finanzkrise. Die Anleihenrenditen sind hoch. Die Aktienbewertungen sind angemessen. Private Märkte bieten weiterhin Prämien gegenüber öffentlichen Märkten und werden gleichzeitig zugänglicher für Investoren. Selbst Barmittel sehen gar nicht so schlecht aus.
Risiken bestehen natürlich immer, sowohl neue als auch alte – von der Geopolitik über Wahlen bis hin zur Entwicklung der Wachstums- und Zinsdynamik. Diese Faktoren gilt es abzuwägen, wenn Sie Ihre Anlageoptionen ausloten. Vor allem aber sollten Sie Ihren langfristigen finanziellen Zielen treu bleiben – und darüber nachdenken, wie die Kraft der Märkte dazu beitragen kann, diese zu verwirklichen.
Ihr Team bei J.P. Morgan steht Ihnen zur Verfügung, um diese Erkenntnisse und deren Bedeutung für Sie zu erläutern.
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