Die Märkte kämpfen sich durch die Turbulenzen, aber droht eine Rezession? Erfahren Sie, wo wir richtig lagen, was wir falsch eingeschätzt haben und was der Rest des Jahres für Investoren bereithalten könnte.
Rückblick
Unser Zwischenfazit
Die erste Woche des zweiten Quartals verlief recht holprig. Einige der neuesten Wirtschaftsdaten – von Frühindikatoren wie den Einkaufsmanagerindizes bis hin zu den Anzeichen am Arbeitsmarkt – signalisierten ein rückläufiges Wachstum, vor allem in den USA im Vergleich zu anderen internationalen Märkten. Dadurch sanken die Anleihenrenditen und Aktien fielen leicht unter ihre jüngsten Höchststände.
In unserem Ausblick 2023 forderten wir die Investoren auf, das Potenzial für ein schwächeres Wachstum, aber stärkere Märkte zu erkennen. Bislang hat sich diese These bestätigt. Während das Wachstum offenbar nachlässt und neue Herausforderungen entstanden sind, haben die Märkte bis dato eine weitaus bessere Wertentwicklung erzielt als im Jahr 2022.
Nun ist das erste Quartal vorbei. Wir möchten deshalb auf die Kernaussagen unseres Ausblicks für 2023 zurückkommen, um ehrlich zu beurteilen, wie sich die Dinge entwickeln, und unsere Gedanken über die Zukunft darlegen. Wir betrachten jede Säule unseres Ausblicks der Reihe nach.
1. Das beste seit einem Jahrzehnt. Eine drastische Neubewertung hat aus unserer Sicht einen der attraktivsten Einstiegspunkte für Aktien und Anleihen seit über einem Jahrzehnt geschaffen.
Bestätigt. Die Märkte haben all die Turbulenzen gemeistert, mit denen sie 2023 konfrontiert wurden. Im ersten Quartal hat ein diversifiziertes Portfolio aus globalen Aktien und Anleihen einen Ertrag von rund +6 % (auf US-Dollar-Basis) erzielt. In den letzten sechs Monaten ist dieses Portfolio sogar um noch beeindruckendere 10 % gestiegen. Die vielleicht erfreulichste Tatsache ist, dass Aktien und Anleihen ihre Aufgabe erfüllen: Aktien sorgen für die Wertsteigerung (MSCI World +7,7 %), während Anleihen als stabiler Anker fungieren (globale aggregierte Anleihen +3,4 %).
Wir glauben, dass Multi-Asset-Portfolios auf dem besten Weg sind, Barmittel und die Inflation auch in diesem Jahr zu übertreffen.
2. Schlechte Nachrichten, gute Nachrichten. Die schlechte Nachricht: Wir halten eine Rezession im Jahr 2023 für wahrscheinlich. Die gute Nachricht: Die Zentralbanken werden ihre Zinserhöhungen voraussichtlich einstellen und die Inflation wird wahrscheinlich sinken.
Bestätigt. Wir geben jedoch zu bedenken: Während die US-Wirtschaft bis Jahresende vermutlich in eine Rezession abgleiten wird, bestehen in Europa und China bessere Aussichten.
Die Turbulenzen im Bankensektor sind wohl das jüngste Anzeichen für die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer US-Rezession. Selbst wenn die akuteste Phase des Bankenschocks überstanden ist, dürfte die Kreditvergabe der Banken an kleine Unternehmen in Zukunft geringer ausfallen.
Andererseits scheint die Inflation ihren Höhepunkt in den meisten Industrieländern überschritten zu haben und langsam wieder zu einem erträglicheren Niveau zurückzukehren. Erfreulicherweise deuten die Lohninflation und andere Indikatoren eines angespannten Arbeitsmarkts nicht auf eine Lohn-Preis-Spirale hin, obwohl der Arbeitsmarkt bislang robust geblieben ist.
Aufgrund der Fortschritte bei der Inflation und der Bedenken hinsichtlich der Finanzstabilität ist davon auszugehen, dass die US-Notenbank (Fed) ihren Zinserhöhungszyklus im Laufe des Sommers unterbrechen wird. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England sind wahrscheinlich noch nicht so weit, scheinen dem Ende ihrer Straffungszyklen aber näher zu sein als dem Anfang.
3. Anleihen sind wieder da. Kernanleihen bieten jetzt das Potenzial für Absicherung, Rendite und Kapitalzuwachs.
Erwartungen übertroffen. Globale Kernanleihen liegen seit Jahresbeginn um mehr als +3 % im Plus. Wir glauben nach wie vor, dass festverzinsliche Wertpapiere in einem Umfeld mit langsamerem Wachstum und geringerer Inflation stabile Erträge einfahren werden. Anleihen haben im letzten Monat eine starke Rally verzeichnet (die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen sind von ihrem bisherigen Jahreshoch von über 4 % auf 3,4 % gesunken), denn die schwächeren Inflationsdaten und finanziellen Probleme haben den Markt dazu ermutigt, erste Zinssenkungen schon für diesen Sommer einzupreisen. Auf sehr kurze Sicht sind die Märkte vielleicht übers Ziel hinausgeschossen. Anleihen haben die Erwartungen seit Jahresbeginn übertroffen, und in den nächsten Wochen und Monaten könnten sich bessere Einstiegspunkte bieten.
Als langfristige Investoren würden wir es jedoch so sehen: Der Bloomberg Global Aggregate Bond Index liegt zurzeit mehr als 10 % unter seinen Allzeithochs. Das ist immer noch der größte Rückgang von Kernanleihen, der sich als gute Kaufgelegenheit geboten hat.
4. Trendwende. Wir erwarten eine Underperformance von Mega-Cap-Technologieaktien und eine Outperformance von Small-Cap-Aktien.
Verbesserungsbedarf. Mega-Cap-Werte im Technologiesektor sind dieses Jahr auf Höhenflug. Der NASDAQ 100 ist um +20 % gestiegen und der NYSE FANG+ Index hat fast +40 % zugelegt. Derweil verbuchen Mid- und Small-Cap-Aktien jeweils ein relativ dürftiges Plus von +1,2 %. Wir gehen weiterhin davon aus, dass US-amerikanische SMID-Cap-Titel im Laufe des nächsten Zyklus eine Outperformance gegenüber Large Caps erzielen, aber diese spezielle Prognose hat sich noch nicht ganz bewahrheitet.
Nach der Veröffentlichung unseres Ausblicks im Dezember konnten wir uns auch für europäische und chinesische Aktien interessieren. Europa verbucht einen sehr soliden Ertrag von +9 % in Lokalwährung (+11 % in US-Dollar) seit Jahresbeginn (besser als der S&P 500 mit +7 %), und China bietet Investoren einen riskanteren, aber potenziell ertragreicheren Aktienmarkt, auch dank des Rückenwinds durch die Wiedereröffnung und die veränderten politischen Prioritäten. Mit den Mega-Cap-Giganten konnten beide Regionen nicht mithalten, aber wir glauben, dass im restlichen Jahresverlauf mit einer relativ starken Performance zurechnen ist.
5. Echtes Geld. Die Ära der Unterinvestitionen in die Realwirtschaft ist vorbei.
Nicht nachlassen. Hier wäre ein Fazit verfrüht, aber die Grundlagen für eine Ära der Investitionen in die physische Wirtschaft sind geschaffen. Wahrscheinlich wird es Jahre dauern, bis die Defizite im Bereich Wohnungsbau, Infrastruktur, Verkehr und Energie behoben sind.
In Europa werden Pläne erarbeitet, um Investitionen in die Energiewende und die Verteidigung anzukurbeln und der EU-Wiederaufbaufonds aus der Zeit der Pandemie hat bereits den Startschuss für die Digitalisierung und den Ausbau der kritischen Infrastruktur erhalten. In den USA könnten mehrere neue Gesetzesinitiativen wie der Inflation Reduction Act und der CHIPS Act rund 1 Bio. USD für die Entwicklung sauberer Technologien freisetzen – wie unser Vorsitzender und CEO Jamie Dimon in seinem jährlichen Brief anmerkte.
Kurzfristig haben einige Sektoren der Realwirtschaft wie Automobile, Bauunternehmen und Halbleiter seit Jahresbeginn eine Outperformance erzielt, aber diese These dürfte sich erst im Laufe des nächsten Jahrzehnts bestätigen.
Was unsere Beobachtungsliste betrifft, fügen wir dem Lehrplan dieses Quartals einige Kurse hinzu, um die künftige Entwicklung einzuschätzen:
Wirtschaft: Die Kunst des Umschwenkens. Die Zentralbanken haben die große Aufgabe, die Konjunktur unter möglichst minimalen wirtschaftlichen Beeinträchtigungen abzukühlen. Da die Inflation anhält, wird man für die Eindämmung des Preisauftriebs aber sehr wahrscheinlich eine US-Rezession in der zweiten Jahreshälfte und eine Verlangsamung (wenn auch keine Rezession) in Europa in Kauf nehmen müssen. Der Trick wird darin bestehen, die Zinsen weit genug anzuheben und lange genug beizubehalten, um die Aktivität zu bremsen. Gleichzeitig weiß man, wann sie wieder gesenkt werden müssen, wenn das Wachstum gefährdet ist. Die Auswirkungen der letztjährigen Zinserhöhungen und die restriktiveren Kreditbedingungen der Banken dürften das Wachstum zusätzlich belasten. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Fed einen weiteren Zinsschritt im Mai vornehmen wird und dieses Niveau bis zum Ende des Jahres beibehalten wird, wenn wahrscheinlich unser Basisszenario einer Rezession eintritt. Die EZB ist auf einem ähnlichen Weg, könnte sich mit einer Zinspause aber mehr Zeit lassen. Wann und wie die Zentralbanken umschwenken, könnte Investoren die ersehnte Klarheit verschaffen.
Geschichte: Ist es dieses Mal anders? Das Studium der Krisen. Neben der Inflationsbekämpfung konzentrieren sich die Zentralbanken auf das gesonderte, aber damit verbundene Mandat für Finanzstabilität. Auch wenn es zu weiteren Schocks kommen könnte, erscheint uns die jetzige Situation ganz anders als die globale Finanzkrise und die Staatsschuldenkrise der Eurozone, zumal sich im Bankenstress eine deutliche Entspannung abzeichnet. Dennoch kann Vertrauen eine heikle Angelegenheit sein, und wir werden diese Dynamik weiter im Auge behalten.
Finanzen: Der Unternehmenslebenszyklus. Wie sich all dies auf die Unternehmensgewinne auswirkt, ist nicht unwichtig. Zu Jahresbeginn rechneten viele damit, dass sich die Gewinne rapide verschlechtern und eine weitere Runde der Marktverluste auslösen würden. Doch obwohl die Dynamik definitiv nachlässt, hat das durchschnittliche Unternehmen im S&P 500 seine Gewinne im letzten Quartal immer noch um 3 % gesteigert. Europäische Firmen widersetzten sich den Widrigkeiten während eines Großteils des letzten Jahres, wobei die Gewinnerwartungen sogar gestiegen sind.
Negativfaktoren wie ein langsameres Wachstum, höhere Preise und die allgemeine geschäftliche Unsicherheit müssen dann aber auch gegen den Rückenwind durch wachsende Einsparbemühungen, robustere Lieferketten und einen schwächeren US-Dollar abgewogen werden (Letzterer erleichtert multinationalen US-Konzernen die Geschäftstätigkeit im Ausland). Wie die Unternehmen durch den wechselnden Kurs beeinflusst werden und darauf reagieren, wird entscheidend sein. Wir werden einen genaueren Eindruck davon erhalten, wenn diesen Freitag die Berichtssaison für das erste Quartal beginnt.
Hauswirtschaft: Persönliche Finanzen und Planung. Wir haben in den letzten Wochen darauf hingewiesen, dass sich eine ruhige Hand oft bewährt. Während die Märkte immer einen schlechten Tag, eine schlechte Woche, einen schlechten Monat oder sogar ein schlechtes Jahr erleben können, lehrt die Geschichte, dass Verluste für Investoren über längere Zeiträume weniger wahrscheinlich sind – insbesondere in einem diversifizierten Portfolio.
Nach dem Feiertagswochenende möchten wir uns bei all unseren Lesern bedanken. Wir sind dankbar, unsere Erkenntnisse mit Ihnen teilen zu können. Wir freuen uns auf das restliche kommende Jahr.
Ihr Ansprechpartner bei J.P. Morgan erläutert Ihnen gerne, was all das für Sie bedeutet.
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