Aktuelle Trends in der Gesundheitstechnologie werden künftige Innovationen zur Personalisierung des Gesundheitswesens hervorbringen. Die Erkennung der richtigen Trends kann Ihren Investments zugutekommen.
Die Welt wartet gespannt auf einen Impfstoff gegen COVID-19 – eine Patentlösung für die Pandemie, die gerade den Globus erfasst. Zugleich zeichnet sich am Horizont ein besonders maßgeschneiderter Ansatz für die Gesundheitsversorgung ab, der die Art und Weise verändern könnte, wie wir Krankheiten diagnostizieren und behandeln: die Präzisionsmedizin.
Viele sehen darin die Zukunft des Gesundheitswesens, die mit großen Schritten auf uns zukommt. Präzisionsmedizin zielt darauf ab, zum günstigsten Zeitpunkt die effektivste Behandlung zu gewährleisten, die auf einen bestimmten Patienten zugeschnitten ist, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dieses medizinische Modell verbindet ein tiefes Verständnis der jeweiligen Person mit umfassenden Kenntnissen sämtlicher Behandlungsoptionen, von denen dieser Patient profitieren könnte, auch auf genetischer, molekularer oder zellulärer Ebene.
Man geht davon aus, dass solche maßgeschneiderten Therapien äußerst belastende und/oder tödliche Erkrankungen heilen könnten, wobei das Risiko schwerwiegender Nebenwirkungen, die häufig mit den standardisierten Behandlungen einhergehen, weitaus geringer ist.
Während technologische Einschränkungen bisher den Fortschritt auf dem Gebiet der Präzisionsmedizin behindert haben, könnten die Wissenschaftler nun dank neuer Tools für Big Data und künstliche Intelligenz (KI) schneller vorankommen als je zuvor. Daten – sowie die Fähigkeit, große Mengen davon so zu speichern, zu sichern, zu verarbeiten und zu interpretieren, wie es das menschliche Gehirn einfach nicht vermag – werden für diese Transformation der Gesundheitsversorgung von entscheidender Bedeutung sein. Gute Aussichten für Unternehmen, die in der Lage sind, die erforderliche Technologie bereitzustellen und anzuwenden.
Dabei wird es auch auf ein starkes Engagement der Regierungen, Gesundheitsämter und Aufsichtsbehörden ankommen, die offenbar allmählich Gestalt annimmt.
Wir erläutern, wohin uns die Präzisionsmedizin führen kann, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und wie sich dies auf das Anlageumfeld auswirken könnte.
Präzisionsmedizin als Trend im Gesundheitswesen
Die Präzisionsmedizin bietet auf lange Sicht das Potenzial gezielter, lebensrettender Therapien für unzählige Menschen, die an einer Vielzahl zuvor unheilbarer Krankheiten leiden, ohne die Qualität der geretteten Lebenszeit zu beeinträchtigen.
Betrachten Sie ein frühes Beispiel aus dem Jahr 2018: ein Medikament namens „Milasen“, benannt nach der Achtjährigen, die diese maßgeschneiderte Behandlung gegen das Batten-Syndrom erhielt. Milasen ist vermutlich das erste Medikament, das für eine einzelne, individuelle Patientin entwickelt wurde.1 Es handelt sich im Wesentlichen um ein maßgeschneidertes Stück RNA,2 das von Ärzten entwickelt wurde, um bestimmte negative Auswirkungen eines mutierten Gens in der DNA der Patientin zu blockieren. Die Behandlung schlug an, und die positive Wirkung war innerhalb von Monaten bei der Patientin sichtbar.
Wie sieht es in der Krebstherapie aus? Können mit einer ähnlichen Methode Präzisionsmedikamente hergestellt werden, um 18,1 Millionen neue Krebspatienten zu behandeln und möglicherweise 9,6 Millionen Todesfälle weltweit wie im Jahr 2018 zu verhindern?3
Die Präzisionsmedizin wird bereits eingehend auf ihr Potenzial in der Onkologie untersucht. Ärzte könnten auf diese Weise gezielte Krebsbehandlungen entwickeln, die bestimmte Zellen im Körper angreifen. Im Gegensatz zur Chemotherapie ist es eventuell weniger wahrscheinlich, dass die Präzisionsonkologie gesunde menschliche Zellen schädigt, da sie nur auf spezifische Tumorzellen abzielt. Eine Therapie, die die schädlichen Nebenwirkungen der Chemotherapie umgehen kann, könnte ein Lebensretter für viele der über 1,7 Millionen Patienten sein, die in den USA jedes Jahr eine Krebsdiagnose erhalten.4
Die Präzisionsmedizin verspricht auch einige Therapieansätze gegen COVID-19. Forscher haben herausgefunden, dass gewisse Merkmale wie Alter, Vorerkrankungen oder weniger naheliegende Faktoren offenbar die Genesungsdauer beeinflussen. Zum Beispiel untersuchen Wissenschaftler derzeit den Zusammenhang zwischen dem Schweregrad der COVID-19-Symptome und einem höheren Testosteronspiegel.5 Im Wesentlichen kann COVID-19 zwei menschliche Proteine verwenden, um in die Zellen einzudringen. Eines davon ist TMPRSS2. Forscher des Irving Medical Center an der Columbia University stellten fest, dass die Anzahl der TMPRSS2-Moleküle in den Zellen durch Senkung des Testosterons reduziert werden kann. Medikamente, die den Testosteronspiegel senken, könnten also dazu beitragen, einen schweren Verlauf von COVID-19 zu mildern. Je nach den Ergebnissen könnte dies zur Entwicklung eines Präzisionsmedikaments führen, um COVID-19-Infektionen durch die Senkung des Testosterons bei Personen mit einem entsprechenden Hormonspiegel zu behandeln.
Und das ist erst der Anfang. Die Möglichkeiten umfassen Krankheiten wie genetische Blindheit, Muskeldystrophie, Diabetes, Herzerkrankungen und mehr.
Anwendung innovativer Präzisionsmedizin für alle Gesundheitslösungen
Damit Präzisionsmedizin zu einer tragfähigen Option für alle wird, werden Daten benötigt, und zwar eine Fülle von Daten – ebenso wie das Engagement der Regierungen, Gesundheitsämter und Aufsichtsbehörden, die günstige Rahmenbedingungen schaffen müssen.
Um Behandlungen für Einzelpersonen oder bestimmte Gruppen zu entwickeln, brauchen die Wissenschaftler einen umfangreichen Datensatz zur Patientengeschichte, um zu analysieren, welche Therapien für welche Patienten am besten geeignet sind.
Eine wichtige Initiative, um die Bandbreite und Detailtiefe der erforderlichen Daten zu gewährleisten, ist die Kampagne „All of Us“. Dieses Forschungsprogramm, das von den National Institutes of Health (NIH) durchgeführt wird, soll über 1 Million Amerikaner und Amerikanerinnen für ein Projekt zur Erfassung von Gesundheitsdaten gewinnen, um die Präzisionsmedizin zu fördern. Die Teilnehmenden dieser 10-jährigen Studie werden gebeten, eine Vielzahl von Informationen zu ihrer Krankheitsgeschichte, ihrem Lebensstil, ihrer Umgebung und ihrem Verhalten bereitzustellen. Anhand der Daten wird untersucht, wie diese Faktoren die Anfälligkeit bestimmter Patienten für verschiedene Krankheiten beeinflussen können und welche Behandlungen das größte Potenzial für verschiedene Patiententypen haben. Bis Ende 2019 hatte das „All of Us“-Programm rund 275.000 Teilnehmende erfasst.6
Die NIH sind nicht die einzige Organisation, die große Mengen medizinischer Patientendaten sammelt, um die Entwicklung der Präzisionsmedizin voranzutreiben. Eine andere Studie ist die Yale Precision Medicine Initiative, die Genome von 100.000 Patienten sequenzieren7 und die anderweitige Krankengeschichte erfassen soll. Auch der britische National Health Service und Genomics England bündeln derzeit ihre Forschungsarbeit, um bis 2025 die Genome von 5 Millionen Menschen zu sequenzieren.8
Regierungen und Gesundheitsbehörden haben das enorme Potenzial der Präzisionsmedizin ebenso erkannt wie die unglaublichen Hürden, die dafür überwunden werden müssen. Schon jetzt machen sich die Gesundheitsbehörden in den USA und anderen Ländern dafür stark, massive Dateninfrastrukturen im Gesundheitswesen aufzubauen, um die wissenschaftliche Forschung in der Präzisionsmedizin zu fördern. Auf regulatorischer Ebene ist sich die US-Arzneimittelbehörde FDA der neuen aufsichtsrechtlichen Probleme bewusst, die wahrscheinlich mit diesen tiefgreifenden Entwicklungen im Gesundheitswesen verbunden sein werden. Gleichzeitig erkennt die FDA die viel versprechenden Möglichkeiten der Präzisionsmedizin, nicht nur in der fernen Zukunft, sondern auch in den kommenden Jahren. 2019 sagte der kommissarische Leiter der FDA, Ned Sharpless: „Erst in den letzten Jahren haben transformative Technologien wie künstliche Intelligenz, komplette Genomsequenzierung und zell- oder genbasierte Therapien zu Produkten geführt, die von der FDA zugelassen oder anerkannt wurden. Sie bringen die Präzisionsmedizin voran, um die richtige Maßnahme zum richtigen Zeitpunkt für den richtigen Patienten zu gewährleisten.“9
Während die FDA noch an der Beantwortung der regulatorischen Fragen arbeitet, besteht kein Zweifel daran, dass die Präzisionsmedizin einen neuen innovativen Grenzbereich im Gesundheitswesen darstellt.
Anlageeffekt von Trends und Innovationen im Gesundheitswesen
Verschiedene Arten von Unternehmen können zur Entwicklung der Präzisionsmedizin beitragen.
Datenorientierte medizinische Forschungsunternehmen, insbesondere mit Fachkenntnissen über KI und maschinellem Lernen, werden bei der Erforschung neuer Präzisionsmedikamente für Patienten führend sein. So wie Finanzunternehmen die Kreditwürdigkeit eines Verbrauchers anhand nahezu aller Aspekte seiner Finanzgeschichte ermitteln können, werden Gesundheitsunternehmen möglicherweise bald in der Lage sein, die gesamte Krankengeschichte eines Patienten zu analysieren, um festzustellen, welche Behandlung für diese Person am besten geeignet ist. Diese Unternehmen werden umfangreiche Datensätze erfassen und interpretieren können, um zu bestimmen, welche Behandlungsoptionen für den jeweiligen Patienten geprüft werden sollten und wo weitere Untersuchungen erforderlich sind. Große Pharmaunternehmen mit Schwerpunkt auf Zelltherapie bzw. immunonkologischen Behandlungen könnten in dieser Kategorie eine Schlüsselrolle spielen.
Unternehmen für medizinische Diagnostik und Analyse könnten den Weg zur Entwicklung und Umsetzung der Präzisionsgesundheit weisen. Anbieter medizinischer Tests und Analysen, die sich auf Gensequenzierung, spezialisierte medizinische Screenings durch DNA-Analysen oder molekulare Modifikation als Heilmittel konzentrieren, könnten innovative Behandlungsansätze für die Gesundheitsbranche erarbeiten. Unternehmen in dieser Kategorie bräuchten nicht nur fortschrittliche Medizintechnik, sondern auch die Fähigkeit, große Datensätze von Krankenakten und Studien auszuwerten.
Fokussieren Sie Ihre Gesundheitsinvestitionen auf bahnbrechende Technologien
Innovationen in den Bereichen Big Data, KI und Medizin führen uns an eine bisher unvorstellbare Grenze – die individuelle Entwicklung von Therapien für einige der schwersten Erkrankungen, die auf das persönliche Profil und Erbgut eines einzelnen Patienten zugeschnitten sind. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der maßgeschneiderte Behandlungen, sogar für bisher unheilbare Krankheiten, mit potenziell minimalen Nebenwirkungen durchgeführt werden können. Das ist in vielerlei Hinsicht eine Welt, in die es sich zu investieren lohnt.
1 „Scientists Designed a Drug for Just One Patient. Her Name Is Mila.“ The New York Times, 9. Oktober 2019.
2 Ribonukleinsäure (RNA) ist eine Nukleinsäure, die in allen lebenden Zellen vorhanden ist.
3 International Agency for Research on Cancer. „Latest Global Cancer Data: Cancer Burden Rises to 18.1 Million New Cases and 9.6 Million Cancer Deaths in 2018.“ Weltgesundheitsorganisation, 12. Sept. 2018, www.who.int/cancer/PRGlobocanFinal.pdf
4 „Understanding Precision Medicine.“ U.S. Food & Drug Administration, 2019.
5 „Lowering Testosterone May Reduce Severity of COVID-19.“ Columbia University Irving Medical Center, 15. Mai 2020.
6 „Life Science Tools & Diagnostics: 2020 Outlook.“ J.P. Morgan North America Equity Research, Life Science Tools & Diagnostics, SMid Medical Technology Team. Dezember 2019.
7 „For cancer treatment and more, genetic-based precision medicine holds a lot of promise.“ Connecticut Magazine, 26. Mai 2020.
8 „Matt Hancock announces ambition to map 5 million genomes.“ Department of Health and Social Care, Gov.uk. 2. Oktober 2018.
9 „A Message from FDA’s Acting Commissioner“, FDA Science Forum (2019). Norman E. „Ned“ Sharpless, MD, kommissarischer Leiter der FDA. 11. September 2019.