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Investment Strategy

Die Ölpreise steigen: ein Grund zur Sorge?

19.09.2023

Obwohl weiterhin Risiken bestehen, könnten die Preise in den kommenden Monaten aus unserer Sicht nachlassen. Daher gehen wir davon aus, dass die Verbraucher nicht beeinträchtigt werden und sich die Inflation im nächsten Jahr weiter abkühlen dürfte.

Madison Faller, Global Investment Strategist

Stephen Jury, Global Commodity Strategist

 

Marktupdate

Die Hektik zum Schulanfang

 

Die Aktienmärkte schwankten angesichts einer prall gefüllten Woche.

Hier sind nur einige Dinge, die passiert sind:

  • Der Chip-Hersteller ARM legte an seinem mit Spannung erwarteten ersten Handelstag einen Blitzstart hin und verbuchte damit den bislang größten Börsengang des Jahres.
  • Zum Auftakt einer Reihe von Zentralbanksitzungen in der kommenden Woche erhöhte die Europäische Zentralbank den Einlagenzins am Donnerstag auf den höchsten Stand aller Zeiten. Da sich das Wachstum nach einer Straffung von über 450 Basispunkten in den letzten 15 Monaten nun verlangsamt, signalisierten die Währungshüter, dass dies ihr letzter Zinsschritt gewesen sein könnte.
  • Nach einer recht verhaltenen Erholung könnten sich in China endlich erste grüne Triebe zeigen. Wie aus den jüngsten Daten hervorging, fielen die Aktivität im verarbeitenden Gewerbe und die Verbraucherausgaben im August stärker aus als erwartet. Dies könnte ein frühes Anzeichen dafür sein, dass die punktuellen Maßnahmen der politischen Entscheidungsträger zur Stabilisierung des Wachstums beitragen.
  • Die Gewerkschaft „United Auto Workers“ begann ihren historischen Streik bei den drei großen US-Autobauern in Detroit. Die Arbeitskämpfe betreffen bisher nur ein Werk pro Unternehmen.
  • Der Preisauftrieb hat sich im jüngsten US-Inflationsbericht wieder beschleunigt. Der Gesamt-VPI – der die Preise eines Korbs von Konsumgütern und Dienstleistungen abbildet – stieg auf 3,7 % zum Vorjahr (von 3,2 % im Juli). Hauptgrund waren die höheren US-Benzinpreise in diesem Sommer.
Dieses Balkendiagramm zeigt die prozentuale Veränderung der VPI-Komponenten im August gegenüber dem Vormonat. Der Gesamt-VPI stieg um 0,60 %. Der Kern-VPI stieg um 0,30 %. Energierohstoffe stiegen um 10,54 %. Energiedienstleistungen stiegen um 0,22 %. Nahrungsmittel und Getränke stiegen um 0,24 %. Tabak stieg um 0,65 %. Medizinische Versorgung (Kerngüter) stieg um 0,56 %. Neufahrzeuge stiegen um 0,27 %. Bekleidung stieg um 0,20 %. Alkoholische Getränke fielen um 0,01 %. Gebrauchte Fahrzeuge und Lkw fielen um 1,23 %. Der Transportbereich stieg um 1,96 %. Wohnraum stieg um 0,29 %. Medizinische Versorgung (Kerndienstleistungen) stieg um 0,06 %.

Was den letzten Punkt betrifft: Ob Sie mit dem Auto unterwegs sind, fliegen oder Ihr Haus in der Spätsommerhitze kühl halten, vermutlich bekommen auch Sie die höheren Kraftstoffkosten zu spüren. Heute gehen wir der Frage nach, was hinter diesen Entwicklungen steckt und ob sie Anlass zur Sorge geben.

Blickpunkt

Die Energiepreise steigen: ein Grund zur Sorge?

 

Der Ölpreis ist auf dem höchsten Stand seit Jahresbeginn und überschritt letzte Woche zum ersten Mal seit November 2022 die Marke von 90 US-Dollar je Barrel. Damit hat sich Rohöl allein seit Juni um über +30 % verteuert, was auch die Preise für Destillate wie Benzin und Diesel in die Höhe getrieben hat. Der Durchschnittspreis für normales US-Benzin liegt derzeit bei über 3,85 US-Dollar pro Gallone, verglichen mit rund 3,50 US-Dollar vor ein paar Monaten. Auch Großbritannien und Europa sind davon betroffen. So sind die britischen Benzinpreise seit Juni um 10 % gestiegen.

Dieses Diagramm zeigt den Preis für ein Barrel Brent-Rohöl in US-Dollar von Januar 2021 bis zum 15. September 2023. Im Januar 2021 lag er bei 54 US-Dollar. Er stieg auf 69 US-Dollar im März 2021, bevor er bis Monatsende auf 60 US-Dollar fiel. Dann stieg er auf 77 US-Dollar im Juli 2021 und fiel anschließend auf 65 US-Dollar im August 2021. Von dort stieg er sprunghaft auf 86 US-Dollar im Oktober 2021 an und sank danach auf 69 US-Dollar im Dezember 2021. Anfang 2022 kam es bis März zu einem raschen Anstieg auf 128 US-Dollar, dann folgte ein leichter Rückgang auf 98 US-Dollar im April 2022. Danach schwankte er, bevor er auf 124 US-Dollar im Juni 2022 stieg und anschließend im Laufe des darauffolgenden Jahres bis Juni 2023 allmählich auf 72 US-Dollar sank. Seitdem war ein Anstieg auf das aktuelle Niveau von 94 US-Dollar zu verzeichnen.

Der Reihe nach: Was steckt hinter diesen Entwicklungen?

Die Ölpreise gaben zu Beginn des Sommers nach. Um die Preise anzukurbeln und den Markt zu stützen, kündigte die OPEC+ (eine Organisation einiger der größten Ölförderländer) daher überraschende Produktionskürzungen an. Saudi-Arabien und Russland standen im Mittelpunkt der Maßnahmen und verlängerten ihre geplanten Fördereinschnitte bis Dezember. Insgesamt hält die größere Gruppe der OPEC+ derzeit 4 Millionen Barrel Rohöl pro Tag zurück – die umfangreichste Produktionskürzung, die in den letzten zwei Jahrzehnten außerhalb einer Rezession vorgenommen wurde. Da also ein geringeres Angebot auf eine weiterhin sehr starke Nachfrage trifft, sind die Preise deutlich gestiegen.

 

Könnte es noch schlimmer kommen?

Die Möglichkeit kurzfristiger Preisspitzen besteht immer. Sofern jedoch kein unerwartetes geopolitisches Ereignis eintritt, können wir uns kaum vorstellen, dass die Preise auf über 100 US-Dollar je Barrel steigen (was mehr Aufsehen erregen würde). Es wird wieder auf Angebot und Nachfrage ankommen:

  • Angebot: Die höheren Ölpreise könnten andere Produzenten auf den Plan rufen. Unabhängige Erzeuger in den USA und Kanada könnten das Angebot in den nächsten Monaten voraussichtlich um mindestens 500.000 Barrel pro Tag erhöhen. Auch der Iran hat mehr Öl auf den Markt gebracht, derweil sich die US-iranischen Beziehungen entspannen.
  • Nachfrage: Obwohl das Wachstum in China rückläufig ist, bleibt der weltweite Energiebedarf auf Rekordniveau. Wenn die Hitze nachlässt und die Leute aus ihrem Sommerurlaub zurückkehren, dürfte sich die Nachfrage jedoch abschwächen. Auch die Klimamuster sollten ihren Beitrag leisten. El Niño (eine warme Meeresströmung, die sich im zentralen und östlichen Pazifik bildet) führt oft zu milderem Winterwetter in den USA. Im letzten El-Niño-Winter sank die Ölnachfrage um mehr als 15 %.

Mit anderen Worten: Risiken bestehen nach wie vor, aber wir rechnen mit sinkenden Ölpreisen (wahrscheinlich in Richtung der Marke um 85 US-Dollar), sobald ein größeres Angebot verfügbar ist und die Nachfrage zurückgeht. Dies dürfte dazu beitragen, die Kraftstoffkosten in den nächsten Monaten einzudämmen.

 

Was bedeutet das alles

Es gibt zwei große Sorgen: [1] Höhere Ölpreise werden den Konsum endgültig einbrechen lassen, und [2] höhere Ölpreise werden die Fortschritte der Zentralbanken bei der Inflation zunichte machen.

Zu [1]. Es wird befürchtet, dass höhere Preise an der Zapfsäule zum ungünstigsten Zeitpunkt kommen, insbesondere für weniger wohlhabende Privathaushalte. In den USA haben die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher keine Ersparnisse mehr aus der Zeit der Pandemie. Immer mehr Menschen scheinen ihre Einkäufe auf Kredit zu finanzieren, und die Rückzahlung der Studienkredite wird in Kürze wieder aufgenommen.

Das sind echte Herausforderungen, die in den kommenden Monaten vielleicht noch mehr Menschen in ihrem Geldbeutel spüren werden. Wir glauben jedoch nicht, dass das ausreicht, um den ansonsten starken US-Konsum auszubremsen.

Zum einen sind die meisten, die einen Job wollen, weiterhin berufstätig. Der Arbeitsmarkt ist robust und es gibt immer noch 1,4 offene Stellen für jede arbeitslose Person (diese Zahl ist auch in Europa und Großbritannien historisch hoch). Insofern haben die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin gute Gründe, um Geld auszugeben. Und auch wenn immer mehr Menschen ihren Konsum auf Kredit finanzieren, erscheint das Gesamtverhältnis von Privatverschuldung zu Einkommen nach wie vor solide.

Hinzu kommt, dass die Energiepreise möglicherweise weniger bedeutsam sind als früher. 1974 gaben die US-Verbraucher fast 10 % ihres Budgets für Energiegüter und -dienstleistungen aus. Heute sind es etwa 4 %. Und mit Ausnahme von Vorgesetzten kann der durchschnittliche US-Arbeitnehmer gut 28 Liter Benzin pro Arbeitsstunde kaufen, mehr als in den meisten Jahren von 2005 bis 2014.

Zu [2]. Höhere Energiepreise könnten die nächsten Inflationszahlen zusätzlich unter Druck setzen. Im Verlauf des nächsten Jahres dürfte sich die Inflation aus unserer Sicht aber weiter abkühlen. Es gibt etliche Anzeichen für sinkende Ölpreise, und die Mietpreise sowie andere Kerndienstleistungen (bisher die hartnäckigsten Inflationstreiber) sind weiterhin rückläufig, wobei noch reichlich Verbesserungsspielraum besteht. Davon dürften die Einkommen ebenfalls profitieren.

Wir glauben nicht, dass diese Dynamik bei der Sitzung der US-Notenbank (Fed) in dieser Woche etwas ändern wird. Wir halten es nach wie vor für wahrscheinlicher, dass die Währungshüter eine Pause einlegen, allerdings mit der Einschränkung, dass die Märkte einer weiteren Zinserhöhung bis zum Jahresende eine Wahrscheinlichkeit von 40 % einräumen. In jedem Fall scheint sich die Diskussion deutlich verlagert zu haben: von der Frage, „wie weit“ die Zentralbanken die Zinsen anheben sollten, zu der Frage, „wie lange“ sie an diesem Zinsniveau festhalten werden. Der wichtigste Anhaltspunkt in dieser Woche wird also die Einschätzung der Fed zum geldpolitischen Kurs für 2024 sein (ihr „Dot Plot“). Dies könnte uns ein Gefühl für den Zeitpunkt und das Tempo etwaiger Zinssenkungen vermitteln.

Investitionsüberlegungen

Irgendwas ist immer

 

Das Marktumfeld ist voller Gründe, um nicht zu investieren. Doch trotz aller Herausforderungen und Risiken und selbst in Zeiten größerer Zuversicht haben Anleger, die an ihrem Kurs festhielten, von Wachstum, Innovation und Fortschritt profitiert.

Für uns bleibt ein 60/40-Portfolio aus Aktien und Anleihen einer der besten Ausgangspunkte mit Wachstums- und Ertragspotenzial. Um ein zusätzliches Element der Diversifizierung hinzuzufügen, können alternative Anlagen wie Sachwerte zum Schutz vor Inflationsrisiken beitragen.

Die Grafik nennt Beispiele für „Gründe“, warum man nicht investiert. Sie stellt die kumulierten Erträge eines 60/40-Portfolios seit einer Reihe von Ereignissen dar (von 1999 bis heute). Jahr Ereignis Kumulierter Gesamtertrag 1999 Y2K 340,3 % 2000 Technologiekrise; Blase platzt 293,8 % 2001 11. September 295,4 % 2002 Dotcom-Blase: Markteinbruch von -49 % 307,9 % 2003 Krieg gegen den Terror – US-Invasion im Irak 347,8 % 2004 Tsunami am zweiten Weihnachtstag tötet in Südostasien mehr als 225.000 Menschen 278,6 % 2005 Hurrikan Katrina 251,6 % 2006 Kein schlechtes Jahr, aber Pluto verlor seinen Planetenstatus 237,1 % 2007 Subprime-Krise203,3 %2008Globale Finanzkrise; Bankausfälle 182,7 % 2009 GFK: Markteinbruch von -56 %; Tiefen der Verzweiflung 277,2 % 2010 Flash Crash; BP-Ölpest; QE1 endet 218,9 % 2011 S&P stuft US-Anleihen herab; 50 % Abschreibung auf griechische Anleihen 183,3 % 2012 2. Rettungspaket für Griechenland; existenzielle Gefahr für den Euro 178,1 % 2013 Taper Tantrum 149,7 % 2014 Ebola-Epidemie; Russland annektiert die Krim 113,0 % 2015 Globale Deflationsangst; Währungsabwertung in China 90,5 % 2016 Brexit-Votum; US-Wahl 87,9 % 2017 US-Leitzinserhöhungen; Spannungen mit Nordkorea 73,6 % 2018 Handelskrieg; Inflationsangst im Februar 51,8 % Handel, Amtsenthebungsverfahren, globale Wachstumsverlangsamung 53,5 % 2020 COVID-19-Pandemie, US-Präsidentschaftswahl 25,4 % 2021 Omikron-Variante, Regulierungswelle in China 10,0 % 2022 Zinserhöhungen der Fed, russische Invasion in der Ukraine- 5,6 % 2023 Weitere Zinsstraffung, hartnäckige Inflation, Streit um die Schuldengrenze, Bankenpleiten 12,0 % Zudem befindet sich eine Linie im Hintergrund. Die Linie beschreibt die Erträge des 60/40-Portfolios, zum letzten Tag des Jahres 1998 auf 100 indexiert. Der erste Datenpunkt lag im Dezember 1998 bei 100. Er blieb relativ konstant und erreichte schließlich im Oktober 2007 ein Hoch von 158. Im März 2009 fiel er dann drastisch auf 99. Kurz darauf stieg er an, bis er im Januar 2022 mit 467 seinen Höchststand erreichte. Dann sank er im Oktober 2022 wieder auf 373. Im Juli 2023 erholte er sich dann wieder auf 446. Der letzte Datenpunkt lag bei 440 im August 2023.
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