Obwohl weiterhin Risiken bestehen, könnten die Preise in den kommenden Monaten aus unserer Sicht nachlassen. Daher gehen wir davon aus, dass die Verbraucher nicht beeinträchtigt werden und sich die Inflation im nächsten Jahr weiter abkühlen dürfte.
Madison Faller, Global Investment Strategist
Stephen Jury, Global Commodity Strategist
Marktupdate
Die Hektik zum Schulanfang
Die Aktienmärkte schwankten angesichts einer prall gefüllten Woche.
Hier sind nur einige Dinge, die passiert sind:
- Der Chip-Hersteller ARM legte an seinem mit Spannung erwarteten ersten Handelstag einen Blitzstart hin und verbuchte damit den bislang größten Börsengang des Jahres.
- Zum Auftakt einer Reihe von Zentralbanksitzungen in der kommenden Woche erhöhte die Europäische Zentralbank den Einlagenzins am Donnerstag auf den höchsten Stand aller Zeiten. Da sich das Wachstum nach einer Straffung von über 450 Basispunkten in den letzten 15 Monaten nun verlangsamt, signalisierten die Währungshüter, dass dies ihr letzter Zinsschritt gewesen sein könnte.
- Nach einer recht verhaltenen Erholung könnten sich in China endlich erste grüne Triebe zeigen. Wie aus den jüngsten Daten hervorging, fielen die Aktivität im verarbeitenden Gewerbe und die Verbraucherausgaben im August stärker aus als erwartet. Dies könnte ein frühes Anzeichen dafür sein, dass die punktuellen Maßnahmen der politischen Entscheidungsträger zur Stabilisierung des Wachstums beitragen.
- Die Gewerkschaft „United Auto Workers“ begann ihren historischen Streik bei den drei großen US-Autobauern in Detroit. Die Arbeitskämpfe betreffen bisher nur ein Werk pro Unternehmen.
- Der Preisauftrieb hat sich im jüngsten US-Inflationsbericht wieder beschleunigt. Der Gesamt-VPI – der die Preise eines Korbs von Konsumgütern und Dienstleistungen abbildet – stieg auf 3,7 % zum Vorjahr (von 3,2 % im Juli). Hauptgrund waren die höheren US-Benzinpreise in diesem Sommer.
Was den letzten Punkt betrifft: Ob Sie mit dem Auto unterwegs sind, fliegen oder Ihr Haus in der Spätsommerhitze kühl halten, vermutlich bekommen auch Sie die höheren Kraftstoffkosten zu spüren. Heute gehen wir der Frage nach, was hinter diesen Entwicklungen steckt und ob sie Anlass zur Sorge geben.
Blickpunkt
Die Energiepreise steigen: ein Grund zur Sorge?
Der Ölpreis ist auf dem höchsten Stand seit Jahresbeginn und überschritt letzte Woche zum ersten Mal seit November 2022 die Marke von 90 US-Dollar je Barrel. Damit hat sich Rohöl allein seit Juni um über +30 % verteuert, was auch die Preise für Destillate wie Benzin und Diesel in die Höhe getrieben hat. Der Durchschnittspreis für normales US-Benzin liegt derzeit bei über 3,85 US-Dollar pro Gallone, verglichen mit rund 3,50 US-Dollar vor ein paar Monaten. Auch Großbritannien und Europa sind davon betroffen. So sind die britischen Benzinpreise seit Juni um 10 % gestiegen.
Der Reihe nach: Was steckt hinter diesen Entwicklungen?
Die Ölpreise gaben zu Beginn des Sommers nach. Um die Preise anzukurbeln und den Markt zu stützen, kündigte die OPEC+ (eine Organisation einiger der größten Ölförderländer) daher überraschende Produktionskürzungen an. Saudi-Arabien und Russland standen im Mittelpunkt der Maßnahmen und verlängerten ihre geplanten Fördereinschnitte bis Dezember. Insgesamt hält die größere Gruppe der OPEC+ derzeit 4 Millionen Barrel Rohöl pro Tag zurück – die umfangreichste Produktionskürzung, die in den letzten zwei Jahrzehnten außerhalb einer Rezession vorgenommen wurde. Da also ein geringeres Angebot auf eine weiterhin sehr starke Nachfrage trifft, sind die Preise deutlich gestiegen.
Könnte es noch schlimmer kommen?
Die Möglichkeit kurzfristiger Preisspitzen besteht immer. Sofern jedoch kein unerwartetes geopolitisches Ereignis eintritt, können wir uns kaum vorstellen, dass die Preise auf über 100 US-Dollar je Barrel steigen (was mehr Aufsehen erregen würde). Es wird wieder auf Angebot und Nachfrage ankommen:
- Angebot: Die höheren Ölpreise könnten andere Produzenten auf den Plan rufen. Unabhängige Erzeuger in den USA und Kanada könnten das Angebot in den nächsten Monaten voraussichtlich um mindestens 500.000 Barrel pro Tag erhöhen. Auch der Iran hat mehr Öl auf den Markt gebracht, derweil sich die US-iranischen Beziehungen entspannen.
- Nachfrage: Obwohl das Wachstum in China rückläufig ist, bleibt der weltweite Energiebedarf auf Rekordniveau. Wenn die Hitze nachlässt und die Leute aus ihrem Sommerurlaub zurückkehren, dürfte sich die Nachfrage jedoch abschwächen. Auch die Klimamuster sollten ihren Beitrag leisten. El Niño (eine warme Meeresströmung, die sich im zentralen und östlichen Pazifik bildet) führt oft zu milderem Winterwetter in den USA. Im letzten El-Niño-Winter sank die Ölnachfrage um mehr als 15 %.
Mit anderen Worten: Risiken bestehen nach wie vor, aber wir rechnen mit sinkenden Ölpreisen (wahrscheinlich in Richtung der Marke um 85 US-Dollar), sobald ein größeres Angebot verfügbar ist und die Nachfrage zurückgeht. Dies dürfte dazu beitragen, die Kraftstoffkosten in den nächsten Monaten einzudämmen.
Was bedeutet das alles
Es gibt zwei große Sorgen: [1] Höhere Ölpreise werden den Konsum endgültig einbrechen lassen, und [2] höhere Ölpreise werden die Fortschritte der Zentralbanken bei der Inflation zunichte machen.
Zu [1]. Es wird befürchtet, dass höhere Preise an der Zapfsäule zum ungünstigsten Zeitpunkt kommen, insbesondere für weniger wohlhabende Privathaushalte. In den USA haben die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher keine Ersparnisse mehr aus der Zeit der Pandemie. Immer mehr Menschen scheinen ihre Einkäufe auf Kredit zu finanzieren, und die Rückzahlung der Studienkredite wird in Kürze wieder aufgenommen.
Das sind echte Herausforderungen, die in den kommenden Monaten vielleicht noch mehr Menschen in ihrem Geldbeutel spüren werden. Wir glauben jedoch nicht, dass das ausreicht, um den ansonsten starken US-Konsum auszubremsen.
Zum einen sind die meisten, die einen Job wollen, weiterhin berufstätig. Der Arbeitsmarkt ist robust und es gibt immer noch 1,4 offene Stellen für jede arbeitslose Person (diese Zahl ist auch in Europa und Großbritannien historisch hoch). Insofern haben die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin gute Gründe, um Geld auszugeben. Und auch wenn immer mehr Menschen ihren Konsum auf Kredit finanzieren, erscheint das Gesamtverhältnis von Privatverschuldung zu Einkommen nach wie vor solide.
Hinzu kommt, dass die Energiepreise möglicherweise weniger bedeutsam sind als früher. 1974 gaben die US-Verbraucher fast 10 % ihres Budgets für Energiegüter und -dienstleistungen aus. Heute sind es etwa 4 %. Und mit Ausnahme von Vorgesetzten kann der durchschnittliche US-Arbeitnehmer gut 28 Liter Benzin pro Arbeitsstunde kaufen, mehr als in den meisten Jahren von 2005 bis 2014.
Zu [2]. Höhere Energiepreise könnten die nächsten Inflationszahlen zusätzlich unter Druck setzen. Im Verlauf des nächsten Jahres dürfte sich die Inflation aus unserer Sicht aber weiter abkühlen. Es gibt etliche Anzeichen für sinkende Ölpreise, und die Mietpreise sowie andere Kerndienstleistungen (bisher die hartnäckigsten Inflationstreiber) sind weiterhin rückläufig, wobei noch reichlich Verbesserungsspielraum besteht. Davon dürften die Einkommen ebenfalls profitieren.
Wir glauben nicht, dass diese Dynamik bei der Sitzung der US-Notenbank (Fed) in dieser Woche etwas ändern wird. Wir halten es nach wie vor für wahrscheinlicher, dass die Währungshüter eine Pause einlegen, allerdings mit der Einschränkung, dass die Märkte einer weiteren Zinserhöhung bis zum Jahresende eine Wahrscheinlichkeit von 40 % einräumen. In jedem Fall scheint sich die Diskussion deutlich verlagert zu haben: von der Frage, „wie weit“ die Zentralbanken die Zinsen anheben sollten, zu der Frage, „wie lange“ sie an diesem Zinsniveau festhalten werden. Der wichtigste Anhaltspunkt in dieser Woche wird also die Einschätzung der Fed zum geldpolitischen Kurs für 2024 sein (ihr „Dot Plot“). Dies könnte uns ein Gefühl für den Zeitpunkt und das Tempo etwaiger Zinssenkungen vermitteln.
Investitionsüberlegungen
Irgendwas ist immer
Das Marktumfeld ist voller Gründe, um nicht zu investieren. Doch trotz aller Herausforderungen und Risiken und selbst in Zeiten größerer Zuversicht haben Anleger, die an ihrem Kurs festhielten, von Wachstum, Innovation und Fortschritt profitiert.
Für uns bleibt ein 60/40-Portfolio aus Aktien und Anleihen einer der besten Ausgangspunkte mit Wachstums- und Ertragspotenzial. Um ein zusätzliches Element der Diversifizierung hinzuzufügen, können alternative Anlagen wie Sachwerte zum Schutz vor Inflationsrisiken beitragen.
Wir halten die hierin enthaltenen Informationen für verlässlich, bieten jedoch keinerlei Gewähr für ihre Richtigkeit und Vollständigkeit. Die in diesem Dokument zum Ausdruck gebrachten Ansichten, Schätzungen, Anlagestrategien und Anlagemeinungen basieren auf den aktuellen Marktbedingungen. Sie stellen unsere persönliche Einschätzung dar und können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern.
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